Geht es nach der Stadt Bern, soll das Weyermannshaus West bis 2031 als neues Wohnquartier aufblühen. 70’000 Quadratmeter mit meist älteren Gewerbe- und Wohnhäusern sind im Fokus. 800 bis 1000 neue Wohnungen sind geplant.
Was zuvor war, interessiert niemanden – aber mit dem rechtsgültigen Richtplan aus dem Jahre 1994 haben der Kanton und die Stadt Bern zusammen das Areal Ausserholligen zum Entwicklungsschwerpunkt (ESP) erklärt. „Das ESP Programm zielt darauf ab, an zentralen, verkehrsmässig gut erschlossenen Standorten im Kanton Bern Flächen planerisch so vorzubereiten, dass Betriebe sich möglichst rasch ansiedeln oder bauliche Erweiterungen vornehmen können.“, steht auf der Webseite der Stadt Bern geschrieben. Dann passierte lange nichts mehr – bis die im Jahre 2002 gemachte Überarbeitung des Richtplanes scheiterte und der Richtplanentwurf 2008 nicht fertiggestellt werden konnte.
Am nördlichen Rande des ESP Ausserholligen, zwischen der Autobahn A1 im Norden und der Bahnlinie S5 im Süden erstreckt sich das Gebiet Weyermannshaus West. Im Osten wird dieses durch das nahe Autobahnviadukt und davor durch die Sport- und Badeanlage Weyermannshaus begrenzt, ein Ort an dem sich die Bevölkerung von nah und fern sportlich, laut und lebensfroh vergnügt! Damit ist das Gebiet Weyermannshaus West ein ideales Gewerbegebiet. Niemand stört sich an der Aussicht auf die Geleisanlagen und die Autobahn oder am Lärm des Bahn- und Strassenverkehrs oder der Sport- und Badebegeisterten. Der nahe Anschluss an die Autobahn erlaubt selbst Anlieferungen zu nachtschlafender Zeit ohne jemanden um die verdiente Ruhe bringen zu müssen. Für ein Wohngebiet ist das Areal allerdings kaum geeignet.
Das Stadtplanungsamt hat zusammen mit Planern von nah und fern und einer phantasievollen Gesamtdiagnose und Prozessgestaltung einen Studienwettbewerb mit 1000 Wohnungen ausgelobt, um dieses gewerbliche Gebiet zu einer gemischten Wohn- und Arbeitszone umzunutzen. Dass niemand neben einem Werkhof oder Handwerksbetrieb wohnen möchte, ist für die Planer kein Problem, denn dann muss das Gewerbe halt wegziehen und einen neuen Standort suchen. Wohin aber das Gewerbe ziehen soll, ist sogar dem Stadtplanungsamt sehr unklar und die diffusen Ideen halten keiner Rückfrage stand!
Eine Mischung zwischen Wohnen und Arbeiten funktioniert nur dann, wenn es sich beim Arbeiten um sogenannt „nicht störendes“ (also stilles) Gewerbe und Büros handelt (für welche übrigens zurzeit in der Stadt Bern soviel freier Raum zur Verfügung steht wie seit Jahren nicht mehr) oder die betroffene Anwohnerschaft sehr anspruchslos ist. Das Ziel der Stadt Bern ist aber ganz klar ein neues Stadtquartier zu erstellen mit der Hauptnutzung Wohnen für unterschiedliche Zielgruppen, gerne auch für ertragreiche Steuerzahlende. Diese neuen Einwohner führen im Gebiet zu neuen Ansprüchen (heute fehlen Infrastrukturen, Schulen, ÖV-Anschlüsse, etc.) und Konflikten.
Der Stadtpräsident Alec von Graffenried hat am 19. März 2018 direkt vor Ort den Mitgliedern des KMU Bern West Auskunft gegeben und sich persönlich über die Situation orientiert. Das Problem der Ausgrenzung des Gewerbes, ist jedoch mit einem Gespräch an einem Abend nicht aus der Welt zu schaffen. Zeit um sich zu besinnen scheint reichlich zur Verfügung zu stehen, denn verschiedene Baurechtsverträge von betroffenen Gewerbebetrieben laufen noch bis 2039. Dabei vergisst man aber schnell, dass Bewohner eines neuen Wohnblocks einen benachbarten, bereits seit langem bestehenden Betrieb mittels Emissionsklagen schnell existentiell gefährden oder gar stilllegen könnten, unabhängig der Laufzeit des Baurechts. Dass es nicht nur Wohnungen in der Stadt Bern braucht ist offenbar dem Gemeinderat nicht bewusst. Wenn dann aber der letzte Gewerbebetrieb die Stadt Bern verlassen hat, wird man zur Erledigung alltäglicher Bedürfnisse weit ausserhalb des Wirkungsgebietes des Stadtplanungsamtes reisen müssen. Dies könnte dann die nächste Welle von Stadtflucht auslösen.
Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen und wir sollten dezidiert dafür einstehen, dass das Weyermannshaus West eine Gewerbezone bleibt und dann als letztes Gebiet im ESP Ausserholligen für das genutzt wird, was ursprünglich die Idee war – ein Standort für die Wirtschaft!