Die vom Gewerbeverband Berner KMU Ende Mai 2017 lancierte Informationskampagne «Der Staat als Konkurrent: Fair ist anders!» erzielt weitere Erfolge: Erste wegweisende Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesamtes für Energie zeigen, dass unsere Kritik berechtigt ist. Mit einem Brief an die Wettbewerbskommission (WEKO) haben wir auf unser Anliegen für gleich lange Spiesse ebenfalls noch einmal aufmerksam gemacht und einen Leitentscheid im Bereich der Monopoldaten gefordert. Absolut unverständlich deshalb auch der Bericht der Bernischen Regierung, die absolut keinen Handlungsbedarf sieht und die BKW Energie AG nicht aufspalten will.
Da der Bernische Regierungsrat in seiner Antwort vom 11. März 2021 auf die Motion «Aufspaltung der BKW prüfen» klar macht, dass für ihn eine Aufspaltung der BKW nicht in Frage kommt, wird der Gewerbeverband Berner KMU nun die Ausarbeitung einer Motion mit wesentlich verbindlicheren Vorgaben prüfen. Für Berner KMU ist die Haltung des Regierungsrats absolut nicht nachvollziehbar: Dass diese keinen sachlichen Handlungsbedarf sieht und eine Abspaltung der BKW als finanzielles und wirtschaftliches Risiko beurteilt, findet Berner KMU mehr als bedenklich. Die vom Regierungsrat vorgeschlagene Herabsetzung der Sperrminorität auf einen Drittel löst das Problem der ungleich langen Spiesse ebenfalls nicht. Für Berner KMU ist klar, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, Bau-, Gebäudetechnik- und Elektroinstallationsfirmen zu betreiben und dass eine Aufspaltung des Konzerns ernsthaft geprüft werden muss. Was nicht zur Produktion, den Handel und die Verteilung von Strom gehört, ist auszugliedern und zu privatisieren.
Die Problematik der heutigen Struktur liegt darin, dass die BKW AG auf den Märkten mit dem Staat im Rücken operieren kann. Nach wie vor verfügt sie in der Stromversorgung über ein Monopol. Der Stromtarif der BKW gehört zu den höchsten in der Schweiz und hat dem Unternehmen jahrelang gute Erträge beschert. Private Haushalte sowie KMU sind gezwungen, den Strom bei der BKW zu kaufen. Diese KMU finanzieren so indirekt ihren neuen Konkurrenten BKW, der dutzendweise gewerbliche Firmen und Ingenieurbüros aufkauft. Damit wird eine normale Nachwuchsregelung verunmöglicht und die Monopolstellung wird zunehmend auch auf die Planungs- und Installationsbranche ausgedehnt. Es gibt bereits Fälle, bei denen die BKW AG sowohl die Planung als auch die Bauleistungen offeriert hat. Somit hat der neu konzipierte Konzern BKW Interesse, Planungs- und Ausführungsaufträge «im Haus zu behalten» und nicht auszuschreiben. Der Zutritt der privaten Konkurrenz wird damit erschwert oder gar verunmöglicht.
Die BKW bestreitet zwar, dass sie den Bereich der Gebäudetechnik quersubventioniere und macht geltend, dieser diene umgekehrt dazu, die Schwierigkeiten des Konzerns auf dem Strommarkt auszubügeln. Bei allem Respekt vor diesbezüglichen Erfolgen bleibt es eine Tatsache, dass diese massgeblich auf Synergien mit der staatlich privilegierten Position zurückzuführen sind. Die KMU-Wirtschaft stört allein die Möglichkeit, dass unfaire Quersubventionierungen und solche Synergieeffekte den Wettbewerb verfälschen können.
Als Berner KMU die Kampagne auf vielseitigen Wunsch seiner Mitglieder vor vier Jahren gestartet hat, wurde diese am Anfang oft als Berner Jammerkampagne belächelt. In der Zwischenzeit konnte die Öffentlichkeit – vor allem auch dank unseren «KMU on Tour-Anlässen» – mit Hilfe unserer Kampagne immer wieder sensibilisiert werden, viele Missstände auf lokaler, kantonaler und nationaler Ebene öffentlich gemacht und zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft ins Boot geholt worden. Während der Kanton Solothurn die Kampagne bereits übernommen hat, sorgt die Problematik der ungleich langen Spiesse zunehmend auch in Luzern und Zürich für rote KMU-Köpfe.
Trotz der Corona-Pandemie konnte «Fair ist anders» letztes Jahr einen wichtigen Etappensieg feiern: So hat die GVB ihre Anfang 2019 still und leise aufgeschaltete Plattform für Hausratsversicherungen wegen unserem dringlichen Vorstoss, den unser Komiteemitglied und FDP-Grossrat Peter Dütschler eingereicht hat, wieder vom Netz genommen. Auch das nationale Parlament beschäftigt sich mit der Problematik: So hat der Nationalrat am 7. September 2020 der Parlamentarischen Initiative «Wettbewerb mit gleichlangen Spiessen» von unserem Komiteemitglied und FDP-Nationalrat Peter Schilliger mit 116 zu 65 Stimmen Folge gegeben. Als nächstes wird nun auch noch der Ständerat dazu JA sagen müssen, damit es dann überhaupt zur Ausarbeitung der in unseren Augen dringend nötigen Gesetzesvorlage kommt. Um den Druck auf nationaler Ebene weiter verstärken zu können, ist in Zusammenarbeit mit Peter Schilliger und glp-Präsident Jürg Grossen noch dieses Jahr die Gründung einer parlamentarischen Gruppe «Fair ist anders» geplant. Ebenfalls bereits letzten Sommer hat das Bundesverwaltungsgericht die BKW wegen Interessenskonflikten gerügt und festgestellt hat, dass die Geschäfte unter deren Tochterfirmen problematisch sind. Ende Januar 2021 hat das Bundesamt für Energie Bussen gegen vier Verantwortliche der Groupe E ausgesprochen, weil Adressen aus dem Strommonopol für Werbung verwendet wurde.
Für uns ist klar, dass dieser Missbrauch der Monopolstellung nicht nur im Kanton Freiburg ein Problem ist und haben uns deshalb Mitte März 2021 mit einem Brief an die Wettbewerbskommission (WEKO) gewandt. Die drei Unterzeichnenden, Berner KMU-Präsident Toni Lenz und die Co-Präsidenten von «Fair ist anders» Thomas Balmer und Alexander Leu, fordern die WEKO auf, Missbräuche und Wettbewerbsverzerrungen staatsnaher Unternehmen genau unter die Lupe zu nehmen und einen Leitentscheid im Bereich der Monopoldaten zu fällen. «Zwar ist diese unfaire Quersubventionierung bereits unter geltendem Recht nicht zulässig, allerdings halten sich viele staatsnahe Betriebe in der Praxis nicht an die ausschlaggebenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Vereinzelte Entscheide gegen Einzelpersonen, welche bereits ergangen sind, lösen das Problem nicht. Es braucht dringend einen Leitentscheid Ihrer Behörde, der sich gegen ein Unternehmen als solches richtet, verbunden auch mit einer entsprechend angesetzten Sanktionierung. Erst wenn ein solcher Entscheid getroffen ist, kann der unfaire Wettbewerb nachhaltig bekämpft werden» betont Toni Lenz. Es sei deshalb sehr wichtig, dass sich die WEKO selbst zu derartigen Geschäftsgebaren äussere, da ihre Stimme grosses Gewicht habe. «Eine solche Äusserung ist nur möglich, wenn sich die WEKO selbst mit dieser Frage befasst und der Eröffnung einer Untersuchung zustimmt und sich natürlich auch mit dem Ergebnis dieser Untersuchung befasst. Der dann zu treffende Entscheid würde so oder so Klarheit im Markt und Rechtssicherheit für die beteiligten Unternehmen schaffen – im Sinne des fairen Wettbewerbs unter Einsatz gleich langer Spiesse. Wir bitten Sie daher, aufgrund des übergrossen Interesses der am Wettbewerb mit staatsnahen Unternehmen beteiligten KMU in der ganzen Schweiz, sich der Thematik jetzt anzunehmen und die Eröffnung einer Untersuchung zu beschliessen».