Zu diesem Fazit gelangte Professor Aymo Brunetti bei seinem Gastreferat „Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Szenarien nach dem Corona-Schock“ an der Herbst-Delegiertenversammlung des Gewerbeverbands Berner KMU am Mittwoch 14. Oktober in Aarberg.
Berner KMU Präsident Toni Lenz betonte in seinem Grusswort, dass die Herbst-Delegiertenversammlung 2020 eine spezielle Angelegenheit sei. «Normalerweise haben wir ja eine DV im Frühling und eine im Herbst. Die DV im April mussten wir wegen Corona absagen und drum müssen wir heute die Geschäfte von zwei Versammlungen in der halben Zeit behandeln».
Neben den ordentlichen Traktanden stand das Gastreferat von Professor Aymo Brunetti, Departement Volkswirtschaftslehre der Universität Bern, im Zentrum der Versammlung. „Der Corona-Schock stellt uns vor die grösste makroökonomische Herausforderung der jüngeren Vergangenheit. Er hat in kürzester Zeit zu einer schweren Rezession geführt, die sich aber deutlich von einem „normalen“ Abschwung unterscheidet. Wir haben es mit einer präzedenzlosen Kombination von Angebots- und Nachfrageschocks zu tun, für deren Bewältigung wir nicht auf ein etabliertes Rezeptbuch zurückgreifen können“. Mit einem rasch aufgegleisten und zielführenden Massnahmepaket sei es in der Schweiz gelungen, die gesamtwirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten und die Voraussetzungen für eine gesunde Erholung zu schaffen. Allerdings sei wegen der spezifischen Situation nach wie vor denkbar, dass das Erholungsszenario durch die weitere Entwicklung der Pandemie und der Wirtschaftspolitik gefährdet sei, betonte Aymo Brunetti.
Vor diesem Hintergrund skizzierte er folgenden wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf. „Ein erneuter, umfassender Lockdown sollte unbedingt vermieden werden, da damit ein Abgleiten ins Depressionsszenario verbunden mit grosser Unsicherheit drohen könnte“. Gesundheitspolitische Massnahmen, welche dem entgegenwirken, seien gesamtwirtschaftlich wesentlich „günstiger“ und sollten bei einem Anstieg der Fallzahlen deshalb rasch ergriffen werden. „Werden derartige weitergehende zusätzliche gesundheitspolitische Aktionen bis hin zu partiellen Lockdowns ergriffen, so sollte das bisherige Instrumentarium, wie Kurzarbeit, erweiterter Erwerbsersatz, Liquiditätshilfen, gezielt genutzt werden, um die Kosten für die Betroffenen abzufedern“. Zusätzliche Konjunkturstimulierungen zum schon Beschlossenen würden aktuell eine Überstimulierung und damit das Abgleiten ins Überhitzungsszenario begünstigen. In der momentanen Lage sollten keine zusätzlichen nachfragestärkenden Aktionen ergriffen werden. „Erst wenn ein breit einsetzbarer Impfstoff oder überzeugende Behandlungsmöglichkeiten von Erkrankten verfügbar sind, werden wir die Corona-Krise wirklich hinter uns lassen können. Bis dann stehen wir vor schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, in denen die Wirtschaftspolitik unbedingt in verschiedenen Szenarien denken muss“. schloss Aymo Brunetti seine spannenden Ausführungen.
Zum Schluss der Herbst-Delegiertenversammlung würdigte Toni Lenz das langjährige und wertvolle Engagement von Geri Fischer. Nach 13 Jahren als Mitglied des Leitenden Ausschusses und nach sieben Jahren als Vizepräsident wurde der Meiringer alt-Grossrat zum Ehrenmitglied von Berner KMU ernannt. Als neue Vizepräsidentin wurde Sandra Hess, FDP-Grossrätin und Stadtpräsidentin von Nidau, gewählt.
Impressionen der Herbst-Delegiertenversammlung vom 14. Oktober 2020 in Aarberg