Am Dienstag, 1. März 2022, fand im Raiffeisen-Forum in Bern der erste Informationsanlass der Parlamentarischen Gruppe „Fair ist anders“ statt: Dieser war mit über 50 Teilnehmenden und spannenden Referaten ein voller Erfolg und ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu gleichlangen Spiessen.
Co-Präsidiumsmitglied und FDP-Nationalrat Peter Schilliger betonte in seiner Begrüssung, wie wichtig es sei, dass der schleichenden Verstaatlichung der Schweizer Wirtschaft konsequent Einhalt geboten werde. Zudem gelte es unbedingt, die beiden Motionen von Andrea Caroni und Beat Rieder, die am 8. März 2022 im Nationalrat trakandiert sind, mit deutlicher Mehrheit zu überwiesen und so dem Bundesrat endlich einen klaren Gesetzesauftrag zu geben.
Lars Guggisberg, Direktor Berner KMU / Co-Präsident Parlamentarische Gruppe „Fair ist anders“Berner KMU-Direktor und Co-Präsidiumsmitglied Lars Guggisberg fasste die im Frühling 2017 gestartete Sensibilisierungs- und Informationskampagne noch einmal kurz zusammen. „Im Fokus stehen im Kanton Bern die BKW, die GVB und die Bedag Informatik AG. Es betrifft aber neben der kantonalen Ebene auch die kommunale Ebene, wie das EWB und die Bernmobil, um nur einige Beispiele zu nennen.“ Betroffen seien aber mit der Post, der SBB und der Swisscom, ganz besonders auch die nationale Ebene. „Die Kampagne will in Zukunft eine noch breitere Wirkung erzielen und soll möglichst auf weitere Kantone ausgedehnt werden. Solothurn hat sie bereits übernommen, mit den Kantonen Basel-Stadt, Luzern und Zürich sind wir in Kontakt. Angestrebt wird eine Ausweitung auf die ganze Schweiz mit einer nationalen zweisprachigen Plattform in Form einer Webseite. Zudem wollen wir weitere Podien unter dem Titel „KMU on Tour“ durchführen. Roberto Cirillo, CEO der Post, hat uns zugesichert, dass er sich den Fragen stellen wird – er wird übrigens auch an der nächsten Infoveranstaltung der Parlamentarischen Gruppe dabei sein. Den Termin geben wir sobald wie möglich bekannt.“ Last but not least solle die Glaubwürdigkeit der Kampagne noch weiter gestärkt werden. „Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die objektive Kriterien definiert, wie sich staatsnahe Betriebe wettbewerbsneutral verhalten sollen. Diese Ergebnisse werden wir voraussichtlich Mitte Jahr präsentieren können.“
Christian Gloor, Gloor Gebäudetechnik, zeigte an eindrücklichen Beispielen aus dem Alltag auf, wie ungleichlang die Spiesse sind. „Vor vier Jahren durften wir für einen bekannten Sportler die Projektstudie und die Ausschreibung für sein Einfamilienhaus machen. Die Vergabe wurde dann aber plötzlich an Tochterfirmen der BKW gemacht, da diese ein grosser Sportsponsor ist. Wir KMU können nicht millionenschwere Budgets in die Sportwerbung investieren. Sind das gleichlange Spiesse?“ Die BKW sei als Monopolistin zudem eine der teuersten Stromanbieterinnen in der Schweiz. „Ich habe als KMU-Betrieb nicht die Möglichkeit, meinen Strom anderswo zu beziehen und unterstütze so direkt gezwungenermassen meine Mitbewerber in der BKW-Gruppe und schaffe die Möglichkeit, dass sie Unternehmen zu überteuerten Preisen – notabene mit meinem Geld – aufkaufen kann.“
Die direkte Konkurrenzierung durch die Post bekommt auch Claudio Hintermann (CEO Abacus) zu spüren, seit die Post im Herbst 2020 das Startup Klara aufgekauft hat, welches ebenfalls im Bereich der Büro-Software tätig ist. „Unter dem Deckmantel der Digitalisierung darf sich die Post im Moment einfach alles erlauben. Es ist doch aber nicht die Aufgabe der Post, digitale Entwicklungshilfe zu leisten. Klara wurde von Ex-Postmitarbeitern gegründet, operiert aus Vietnam heraus, hat Millionenverluste gemacht und musste von der Post gerettet werden.“ Die Post habe einen klaren Leistungsauftrag, der im Postgesetz geregelt sei. „Das Problem ist nur, dass sich die Post nicht daran hält und dass der Bund seine Aufsichtspflicht nicht wahrnimmt. Abacus wird es überleben, wohl aber nicht alle kleinen ebenfalls betroffenen KMU, die mich kontaktiert haben. Und deshalb bin ich heute hier, denn wenn wir uns als grosser Player nicht wehren, wer soll es dann sonst tun? Die Post wird in den nächsten zwei Jahren noch einmal Unternehmen für 1,5 Milliarden aufkaufen, bereits heute gehören ihr 42 Tochterfirmen.“ Er habe nichts gegen einen starken Staat, im Gegenteil, betonte Claudio Hintermann. „Es braucht aber klar definierte Spielregeln und eine Regierung, welche die Verantwortung wahrnimmt. Den Managern der staatsnahen Betriebe im Namen der Digitalisierung eine Carte Blanche zu geben ist total falsch und ganz klar nicht im Interesse der Schweiz und der KMU.“
Das gleiche Fazit zog auch Christoph Marty, CEO Clearchannel. „Unter dem Vorwand der digitalen Transformation betritt die Post mit der Aussenwerbung und anderen Märkten völliges Neuland und weitet den Staatsbereich aus. Das alles hat nichts mit der Transformation des Briefgeheimnisses oder Entwicklungshilfe für KMU zu tun. Mit dem Kauf von Livesystems hat die Post letzten Sommer für kolportierte 100 Millionen einen Player gekauft, der in einem Markt von 450 Millionen die Grösse von gerade mal 10 Millionen hat. Dieser Kauf lohnt sich nur, wenn man bereit ist, massiv Geld in die Hand zu nehmen, um sich Markt zu kaufen. Aus meiner Sicht wird hier ganz klar und ohne die Risiken abzuwägen Volksvermögen verschleudert.“ Die Forderungen seien denn auch ganz klar. „Die Post darf keine Aussenwerbung im öffentlichen Bereich machen. Die Verstaatlichung in unserem hoch kompetitiven Markt ist zu stoppen, umso mehr als schon heute mehr als die Hälfte der 450 Millionen in die öffentliche Hand fliesst.“ Im Moment verhalte sich die Post wie ein Private Equity-Investor, bei der eine von zehn Akquisitionen funktioniere. „Ist es das was wir wollen? Ich hoffe es nicht und ich hoffe, dass das Parlament hier der Post Einhalt gebietet.“
Professor Doktor Andreas Kellerhals stellte zum Schluss des 1. Informationsanlasses folgend klare Forderungen an die Adresse der anwesenden Parlamentarier. „Wir müssem uns dringend gegen eine schleichende Verstaatlichung von bestimmten Wirtschaftssektoren wehren. Es kann nicht sein, dass sich in der Schweiz die staatsnahen Unternehmen auf der Suche nach mehr Gewinn mit unfairen Mitteln immer mehr auf Kosten der KMU ausdehnen. Es braucht klare Eignerstrategien und eine regelmässige Überprüfung. Es braucht klare Regeln für die Verwendung der Ressourcen aus dem Monopolbereich, eine klare Kontrolle und eine getrennte Rechnungsführung. Zudem müssen Verstösse wirkungsvoll sanktioniert werden können. Ich bin überzeugt, dass die Parlamentarische Gruppe „Fair ist anders“ dazu einen ganz wichtigen Beitrag leisten kann.“
Impressionen des Informationsanlass der Parlamentarischen Gruppe „Fair ist anders“