Und plötzlich ist alles anders

Was passiert mit meinem KMU, wenn ich temporär oder für immer ausfalle? Welche Massnahmen kann ich im Vorfeld treffen? Welche Verträge und Vollmachten braucht es, damit im Unternehmen alles reibungslos weiterläuft? Antworten auf diese Fragen gab Daniela Klöti, Fachanwältin SAV Erbrecht und Notarin.

Barbara Bühler, Präsidentin des Leitungsteam Berner KMU Frauen, konnte aufgrund der Corona-Schutzmassnahmen am 8. September für einmal „nur“ vierzig Teilnehmerinnen am Herbstanlass im BEKB-Betriebsgebäude im Liebefeld begrüssen. „Es ist uns ein grosses Anliegen, dass wir die Berner KMU Frauenanlässe trotz Corona weiterführen können. Dieses Mal halt für einmal im kleineren Rahmen, aber immer noch besser, als beide Anlässe 2020 ausfallen zu lassen. Das heutige Thema haben wir zwar schon vor Corona geplant, es ist aber natürlich aktueller denn je“.

Fachanwältin Daniela Klöti konzentrierte ihre spannenden Ausführungen auf die drei Themen Urteilsunfähigkeit; der Tod und die Firma und den digitalen Nachlass.

Urteilsunfähigkeit, was passiert mit der Firma, wenn ich ausfalle?

Als erstes klärte und definierte Daniela Klöti die wichtigsten Begriffe rund um die Urteilsunfähigkeit. „Es gilt dabei vor allem zu unterscheiden, ob eine Person vorübergehend oder dauernd urteilsunfähig ist“. Es sei wichtig, die richtigen rechtlichen Vorkehrungen und Massnahmen zu treffen, damit nicht automatisch etwa beistandschaftliche Massnahmen durch die KESB ausgelöst würden. Es sei deshalb sehr wichtig, sich diese drei Fragen zu stellen, so Daniela Klöti weiter. „Wer überbrückt; eine Externe oder Vertraute; eine Angestellte oder ein Geschäftspartner? Mit welchen Kompetenzen und Beschränkungen? Wo finden sie die wichtigsten Unterlagen und Zugänge“? Ebenso wichtig seien dafür aber auch die richtigen Dokumente. „Es braucht die entsprechenden Verträge, Vollmachten und Verankerungen (z.B. Eintrag im Handelsregister). Immer mehr Banken akzeptieren es nämlich nicht mehr, wenn bei Eintritt der Urteilsunfähigkeit keine rechtliche Legitimationsgrundlage zum Handeln besteht“. Bei einer dauernden Urteilsunfähigkeit (z.B. Demenz, Krankheit, Unfall) seien Vollmachten in der Regel aber nicht ausreichend, betonte Daniela Klöti. „Für diesen Fall braucht es dringend einen handschriftlich abgefassten oder öffentlich beurkundeten Vorsorgeauftrag. Dieser ist die Umsetzung selbstbestimmter Vorsorge anstelle der KESB und lässt einen hohen Gestaltungsspielraum bei Persönlichem und Geschäftlichem“. Eine aus dem Internet heruntergeladene Standardversion eines Vorsorgeauftrages regle die Situation von Unternehmerinnen in der Regel ungenügend, warnte Daniela Klöti und empfahl deshalb den Berner KMU Frauen, sich in solchen Fällen durch eine Fachperson beraten zu lassen. „Es ist zudem ratsam, die Vorbereitungsarbeiten mit der Nachlassplanung abzustimmen, so können allfällige Konflikte bereits im Vorfeld eruiert und eliminiert werden“.

Der Tod und die Firma

„Die Firma ist Teil des Nachlasses. Ohne Regelung gilt die gesetzliche Erbfolge.  Bei einer Regelung ist die private Situation, die Unternehmensform und die Steuerfrage speziell zu berücksichtigen. Mögliche Regelungen können eine Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Teilungsvorschriften, Auflagen und Bedingungen umfassen“. Mögliche Vertragslösungen seien ein gesellschaftsrechtlicher, ein erbrechtlicher oder ein familienrechtlicher Vertrag, führte Daniela Klöti weiter aus.

Digitaler Nachlass

Dies sei kein juristischer Begriff, stellte die Fachanwältin gleich zu Beginn des letzten Themenblocks klar. Er umfasse sowohl Computer, Facebook, Twint, ICloud, Microsoft-Lizenzen, etc. „Als Juristen stehen wir hier im luftleeren Raum, denn die rechtliche Einordnung des digitalen Nachlasses ist noch nicht abschliessend erfolgt. Sind es Daten, Gegenstände oder Vertragsverhältnisse, die vererbt werden?“. Die Herausforderungen im Erbfall seien denn auch die unterschiedliche Praxis der Anbieter zu Zugriffen auf Accounts, die unklare Rechtslage und die meist fehlende Übersicht über die digitalen Aktivitäten und Zugangsdaten. „Selber kann man dies verbessern, indem man eben die Zugangsdaten sammelt, die Planungsinstrumente der Nutzungsanbieter anschaut und klare Anordnungen verfügt, besonders wichtig für alle KMU-Daten, die in der Cloud abgelegt sind“.

Daniela Klöti schloss ihr spannendes Referat mit einem Ausblick auf die gesetzlichen Entwicklungen im Erbrecht. „Dieses war über hundert Jahre mehr oder weniger das Gleiche, aber jetzt kommt eine Welle von Anpassungen, die es zu verfolgen gilt. In erster Linie wird das Pflichtteilsrecht revidiert; dessen Inkraftsetzung erfolgt voraussichtlich am 1.1.2022. Später folgen weitere Erbrechtsrevisionen. In Bezug auf das Unternehmer-Erbrecht wurde erst gerade die Vernehmlassung abgeschlossen, dieses braucht voraussichtlich noch 3 bis 4 Jahre bis es gesetzesreif sein wird“.

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Impressionen des Herbstanlasses vom 8. September 2020