Was würde ein „Grossbern“ für die Wirtschaft bedeuten?

Die zur Diskussion stehende Fusion der Stadt Bern mit fünf anderen umliegenden Gemeinden erhitzt die Berner Gemüter diesen Sommer. Welche Vor- und welche Nachteile hätte das Projekt „Grossbern“ für das Berner Gewerbe und für die einzelnen Gewerbetreibenden?

Die Stadt Bern ist, zusammen mit der Gemeinde Ostermundigen und mit vier weiteren Agglomerationsgemeinden (Bremgarten, Frauenkappelen, Bolligen und Kehrsatz) dabei, eine Fusion zu prüfen. Ein Vorhaben, das sehr visionär ist und deshalb auch noch einen weiten Weg vor sich hat. Was würde eine solche politische Neustrukturierung für die Wirtschaft bedeuten? Welche Konsequenzen hätte sie für den einzelnen Gewerbetreibenden und seine demokratische Einflussnahme auf die Rahmenbedingungen an seinem Wohnort?

Um diese Fragen zu klären, haben die involvierten sechs Gemeinden eine Studie in Auftrag gegeben, die neben wenigen Vorteilen vor allem deutliche Nachteile aufzeigt. Die Vorteile bestehen vorwiegend in der Hoffnung auf eine bessere Koordination bei Verkehrsfragen, einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik und der gemeinsamen Bewirtschaftung von Landreserven. Aber bereits heute enden die Strassen an den Gemeindegrenzen nicht im Niemandsland, der Wirtschaftsraum der Regionalkonferenz versucht bereits heute für alle beteiligten Gemeinden bessere Rahmenbedingungen zu erreichen und die Landreserven zu bewirtschaften. Die bestehenden Koordinationsinstrumente könnten bereits heute zu namhaften Verbesserungen führen.

Durch eine Fusion wird daran nichts Substantielles verändert. Für die Agglomerationsgemeinden ist im Gegenteil zu befürchten, dass die rotgrüne Stadt Bern ihre Politik den neuen Partnern in der „Kooperation“ aufdrücken würde. Denn die Stadt Bern brächte in einen Zusammenschluss mit den fünf Gemeinden eine komfortable Mehrheit über 80% der Bevölkerung ein, hätte damit auch garantiert in der Exekutive und der Legislative klar das Sagen und  würde auch die Organisation der Verwaltung, die zu Lasten der Effizienz alles und jedes umfassend regelt, bestimmen.

Die Stadtverwaltung stellt ferner mit ausgezeichneten Arbeitsbedingungen wie einer 40 Stundenwoche, einer Pensionierung mit 63 Jahren und einer für ihre Angestellten sehr vorteilhaften Pensionskassenlösung alle anderen Gemeindeverwaltungen in den Schatten. Diese Konditionen würden aus Gründen der Gleichberechtigung für alle Angestellten der fusionierten Gemeinden gelten, was sich dann in einem sehr hohen Kostenanteil des Personals in der Gemeinderechnung niederschlägt und für die Bevölkerung und die Wirtschaft zu höheren Gebühren, längeren Bearbeitungszeiten von Gesuchen und zu unpersönlicheren Dienstleistungen führt.

Allein bei den Gehältern entstehen durch die fusionsbedingten Anpassungen an die städtischen Besoldungen Mehraufwände von kurzfristig 1.2 Millionen Schweizer Franken, die langfristig noch immer mit 0.7 Millionen Schweizer Franken die möglichen Synergien eliminieren würden. Für die Wirtschaft der Agglomerationsgemeinden brächte der Zusammenschluss unter diesen Prämissen wenig Erfreuliches und dabei wäre doch so viel zu erreichen, wenn sich die Verwaltung der Stadt Bern nach dem Vorbild der neuen Partner verschlanken und die unerklärlichen Privilegien der Gemeindeangestellten abschaffen würde sowie die Dienstleistungen dank Vereinfachungen kostengünstiger erbringen könnte.

Ziel müsste sein, dass alle Entscheide einfacher und effizienter gefällt würden und der Bürger nicht nur weniger Aufwand hat, sondern auch weniger Steuern zu bezahlen hätte. Das wäre eine Vision(!), die aber ganz sicher eine solche bleiben wird, da die neue Minderheit wohl kaum etwas in dieser Richtung zu bewegen vermöchte.

Weil sich die Ertragslage der Stadt Bern in der nächsten Zeit sicher nicht bessert, wird die relativ günstige Steueranlage von 1.54 langfristig nicht mehr zu halten sein, was auch für die Bevölkerungen der Agglomerationsgemeinden zu Steuererhöhungen führen dürfte. Bremgarten müsste mit seiner heutigen Steueranlage von 1.49 nach der Fusion ohnehin schon garantiert mehr zahlen – sicher ein Grund, dass Muri mit seinen 1.14 nicht einmal Lust hatte an den Gedankenspielen zu einer Fusion teilzunehmen.

Solche Aussichten machen wenig Freude und damit bleibt wohl auch von dieser grossen Vision am Schluss nur noch eine reduzierte Fusion zwischen der Stadt Bern und Ostermundigen übrig. Eine Fusion, die weder durch wirtschaftliche Überlegungen, noch durch eine politische Einsicht begründet wird, sondern einzig den finanziellen Kollaps von Ostermundigen abzuwenden geeignet wäre, analog zur Ursache für die Eingemeindung von Bümpliz im Jahre 1918. Einmal mehr wird vergessen, dass man nur dann etwas ändern sollte, wenn eine echte Verbesserung erzielt werden kann und nicht weil man mutig und visionär sein möchte!