Öffentliche Unternehmen – Grenzen ihres Handelns

Es gibt immer mehr öffentliche Unternehmen, welche private KMU konkurrenzieren. Aus diesem Grund führt Berner KMU seit Ende Mai 2017 mit viel Herzblut die Kampagne «Der Staat als Konkurrent: Fair ist anders!» Jetzt hat sich auch der Verein «Entente Bernoise» aktiv mit der Problematik beschäftigt und Mitte Oktober 2020 eine Studie veröffentlicht.Da dieses Thema sowohl Gewerbetreibende als auch die Politik immer wieder beschäftigt, hat Bernhard Eicher, Geschäftsführer «Entente Bernoise» diesen Sommer die Studie «Öffentliche Unternehmen – Grenzen ihres Handelns» in Auftrag gegeben. «Es gibt viele öffentliche Unternehmen, welche zunehmend private KMU konkurrenzieren. Uns interessierte, warum dies gemacht wird, ob es aus ordnungspolitischer Sicht zulässig ist und wer allenfalls Gegensteuer geben muss». Folgende Fragen und Problemfelder soll die Studie klären:

Warum ist es unzulässig, wenn staatliche Unternehmen private Anbieter über Gebühr konkurrenzieren?

Die Konkurrenzierung Privater durch öffentliche Unternehmen widerspricht dem in der Bundesverfassung verankerten Subsidiaritätsprinzip und ist aus ordnungspolitischer Sicht falsch. Weiter verfügen öffentliche Unternehmen auch über Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren privaten Mitbewerbern.

 Gibt es Faktoren, welche staatliche Unternehmen zur Konkurrenzierung Privater treiben?

Öffentliche Unternehmen neigen insbesondere dann zur Erschliessung neuer Geschäftsfelder, wenn kein klar definierter Handlungsrahmen seitens Politik besteht, die Eigentümerschaft im Vergleich zur Stammtätigkeit überhöhte Gewinnerwartungen hat und/oder die Stammtätigkeit zunehmend unter Wettbewerbsdruck, meist verbunden mit einem Preiszerfall, gerät.

 Wer definiert den Handlungsspielraum staatlicher Unternehmen?

Die Definition des Handlungsspielraums eines öffentlichen Unternehmens ist Sache der Politik. Letztlich müssen Parlament (Gesetze, Reglemente) und Regierung (Beteiligungs- und Eignerstrategie) definieren, welche Marktaktivitäten zulässig sind und welche gegen den Grundsatz der Subsidiarität verstossen.

 Welche generellen Handlungsmöglichkeiten gibt es?

Um die ordnungspolitischen Konflikte von öffentlichen Unternehmen zu lösen, gäbe es einen klaren Weg: Privatisierung oder Teilprivatisierung. Die Politik hat vor diesem Schritt aber Hemmungen – selbst in bürgerlich geprägten Parlamenten – und bevorzugt den Erlass detaillierter Abrechnungs- und Verrechnungsvorschriften für die besagten Unternehmen, um zumindest eine Quersubventionierung von der Stammtätigkeit hin zu marktwirtschaftlichen Aktivitäten zu verhindern.

 Fazit und Lösungansätze

Bernhard Eicher zieht nach Auswertung der Studie folgendes Fazit: «Es gibt zwei Perspektiven. Aus Sicht Leitung des öffentlichen Unternehmens kann die Konkurrenzierung Privater durchaus Sinn machen, werden dadurch doch neue Geschäftsfelder erschlossen. Aus ordnungspolitischer Sicht hingegen ist die Konkurrenzierung Privater nicht angezeigt. Erstens wird dadurch das Subsidiaritätsprinzip verletzt und zweitens geht das öffentliche Unternehmen Risiken ein, welche aus Sicht Steuerzahler kaum erwünscht sind. Hier klare Grenzen zu setzen ist Aufgabe von Regierung und Parlament». Für ihn ist denn auch klar, wo der Hebel angesetzt werden muss. «Erstens braucht es eine klare Zuteilung, ob ein Unternehmen öffentlich oder privat ist. Mischlösungen mit öffentlichen und privaten Eigentümern sind zu vermeiden. Zweitens haben Regierung und Parlament den Handlungsspielraum von öffentlichen Unternehmen klar und eng zu definieren. Diese Unternehmen sollten keine Gewinne erwirtschaften müssen und für Innovation in ihrem eng definierten Tätigkeitsgebiet eine geringe Marge erwirtschaften dürfen. Schliesslich soll sich die öffentliche Hand bei privaten Unternehmen auf das Schaffen von Rahmenbedingungen beschränken».

FORDERUNGEN
Klare Zuteilung: Öffentlich oder Privat
• Grundsätzlich sollen Unternehmen entweder klar öffentlich oder klar privat sein.
• Erfüllt ein Unternehmen eine öffentliche Aufgabe, soll es auch zu 100 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand sein.
• Können hingegen Leistungen eines öffentlichen Unternehmens auch durch Private gleichwertig oder besser erbracht werden, ist der Betrieb zu privatisieren resp. zu veräussern.
Bei öffentlichen Unternehmen
• Für Unternehmen, welche im Eigentum der öffentlichen Hand verbleiben, ist der Handlungsspielraum klar einzuschränken. Sie sollen keine/nur minime Leistungen ausserhalb ihrer Stammtätigkeit anbieten dürfen.
• Konsequenterweise muss die öffentliche Hand dann aber auch von Gewinnvorgaben oder -erwartungen absehen. Diese würden das öffentliche Unternehmen in ein Dilemma stürzen.
• Schliesslich ist bei der Abgeltung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Unternehmens eine Art Innovationsmarge zu erlauben. Mit dieser soll das öffentliche Unternehmen das ihr zugewiesene öffentliche Angebot zweckmässig weiterentwickeln können.
Bei privatisierten Unternehmen
• Wird ein Unternehmen, da es keine öffentliche Aufgabe erfüllt, privatisiert, hat dies konsequent zu erfolgen. D. h. die öffentliche Hand zieht sich als Eigentümerin vollständig zurück.
• Will eine politische Mehrheit trotzdem Einfluss nehmen, hat dies in der Rolle als Regulatorin zu erfolgen. D. h. die öffentliche Hand kann entsprechende Rahmenbedingungen setzen.
Politik: Verantwortung wahrnehmen
• Die Verantwortung für obengenannte Entscheidungen liegt klar bei Parlament und Regierung.
• Die Regierung hat entsprechende Entscheidungsgrundlage zu schaffen, das Parlament dann die finalen Beschlüsse zu fassen und auch zu verantworten.

ZUR METHODIK
Neben dem Studium der aufgeführten Literatur wurden Experteninterviews mit folgenden Personen geführt: Prof. Dr. Reto Steiner, Direktor
ZHAW School of Management and Law, spezialisiert auf Public Corporate Governance/Local and Regional Governance, Nationalrat Jürg
Grossen, Vertreter Kampagne „Fair ist anders“, Urs Gasche, Präsident Verwaltungsrat BKW Energie AG, René Schmied, Direktor BERNMOBIL, Dr.
Mario Marti, Geschäftsführer usic, Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmen.

ENTENTE BERNOISE
Der Verein „Entente Bernoise“ bezweckt, ein für die Wirtschaft günstiges politisches Klima in der Agglomeration Bern zu fördern und die Rolle von
Bern im Zentrum der Hauptstadtregion Schweiz zu stärken. In regelmässigen Abständen verfassen wir Recherchen zu wichtigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Themen und stellen diese der Öffentlichkeit über verschiedene Kanäle zur Verfügung.
www.ententebernoise.ch