Der Gewerbeverband KMU Stadt Bern hat nach reiflicher Überlegung und gründlicher Diskussion im leitenden Ausschuss beschlossen, dem Gemeinderat mit einem offenen Brief mitzuteilen, dass er bis auf weiteres nicht mehr für konzeptionelle Sitzungen zur Verfügung steht.
Es macht für niemanden Sinn über Jahre hinweg in langwierigen Sitzungen und Workshops über Konzepte zu diskutieren, um dann Vereinbarungen zu treffen, die von den städtischen Behörden kurzfristig und ohne vorgängige Ankündigung missachtet werden. So werden zum Beispiel vereinbarungswidrige, wirtschaftsbehindernde und schikanöse Verkehrsmassnahmen ohne Publikation als sogenannte „Verkehrsversuche“ realisiert, nur um dann in Salamitaktik den motorisierten Verkehr ganz aus der Stadt Bern zu verbannen. Solche Praktiken führten dazu, dass sich die städtischen Wirtschaftsverbände aktuell mit rund zwanzig Beschwerden gegen solche Massnahmen wehren, da letztendlich nur noch dieser Weg übrigbleibt.
Der Stadtpräsident betont wohl immer wieder, dass der Gemeinderat das Gewerbe ernst nehme und beteuert selbstkritisch in der Presse kooperative Gespräche anzubieten. Solche Gespräche laufen üblicherweise darauf hinaus, dass Versprechungen abgegeben werden, um dann die nächste, den Aussagen zuwiderlaufende Aktion umzusetzen. Schade um den gezeigten guten Willen und das gegebene Vertrauen, welches im Nachhinein zu oft leichtfertig enttäuscht wird.
Nicht die Einsicht des Gemeinderates, dass das Gewerbe und die Cars den Platz brauchen führte zur Lösung Schützenmatte, sondern eine juristische Beschwerde, die die Wirtschaftsverbände rund 30’000 Franken kostete. Es war vielmehr die Angst der Verwaltung, dass wir die Umsetzung des Experimentes „Stadtlab“ verzögern könnten, die zum heutigen Kompromiss führte. Notabene musste der Gemeinderat jetzt selbst feststellen, dass das Experiment gescheitert ist und sich die Situation vor der Reitschule noch weiter verschlechtert hat und unabhängig davon jetzt erst noch der Gemeindekasse die zuvor jährlich anfallende halbe Million Franken an Parkgebühren fehlt.
Die Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gewerbes gilt offenbar beim Gemeinderat nicht mehr als opportun. So teilte ein auf die betreffende Thematik angesprochener Gemeinderat unverhohlen mit, dass die Mehrheit jetzt sage, was Sache sei und nicht die Minderheit, worunter offenbar auch die Gewerbetreibenden gehören.
Es geht so ungebremst gegen das Gewerbe weiter: Begegnungszonen vor Bäckereien und Betrieben verhindern den Kunden und Lieferanten den Zugang, die Hodlerstrasse soll als Flanierzone den Zugang zum Zentrum blockieren, ja die ganze Altstadt soll autofrei werden und im „Entwicklungsschwerpunkt Arbeiten“ Weyermannshaus West wird statt einem Gewerbegebiet ein neues Wohnquartier geplant. Aktuell läuft dazu bis am 4. September 2019 ein Mitwirkungsverfahren, an dem wir mit allen Interessierten teilnehmen werden.
Wir sollten es hier genauso machen wie beim Sauberkeitsrappen: denn die über 500 Eingaben verunmöglichten es der Stadt diese vorschriftsgemäss auszuwerten. Damit konnte die unsägliche und gesetzwidrige Vorlage zur Gebührenabwälzung auf das Gewerbe versenkt werden – auch hier war es nicht die Einsicht des Gemeinderates, die zur Abschreibung des Vorhabens führte, denn die fehlt offenbar weiterhin gänzlich.
Noch vor ein paar Jahren hätte wohl keiner gedacht, dass der Gemeinderat die Wirtschaft und das Gewerbe heute nur noch als kehrichtverursachend und mit Lärm und Verkehr die Stadt störend betrachtet, höchstens noch gerade gut genug, um oft fragwürdige Projekte als Sponsoren zu unterstützen. Bevor wir dem Ratschlag des Stadtpräsidenten folgen und nach Kallnach ziehen (wo es noch freie Gewerbeflächen mit Parkplätzen geben soll) engagieren wir uns lieber hier – damit es uns nicht wie den Kinos geht, die schon grösstenteils aus der Stadt vertrieben worden sind und nun in Brünnen und im Gümligenfeld eine neue Existenz mit genügend Parkplätzen gefunden haben.
Gute und langjährige Detailhandelsgeschäfte schliessen, da die Rahmenbedingungen in einem ohnehin schon harten Markt durch ideologische Vorschriften und Auflagen der Verwaltung zunehmend untragbarer werden. Die Stadt Bern verliert dadurch langfristig viel mehr als den ungeliebten motorisierten Verkehr, nämlich die Attraktivität, die Lebendigkeit und die Vielfalt eines Zentrums sowie als Wirtschaftsstandort den wirtschaftlichen Erfolg und damit auch die Lebensader für ein pulsierendes und prosperierendes Stadtgebiet.
Es geht nicht nur um die beispielhaft aufgeführten Problemstellungen, sondern auch um Gebühren und administrative Schikanen wie die Umfrage bei mehr als 500 unserer Mitglieder zeigte, die dem Gemeinderat nur eine unmissverständliche Note von 3,5 von 10 gegeben haben.
Wir wollen nicht, dass es dem übrigen Gewerbe so geht wie den Kinos und fordern alle auf, die dies gleichermassen sehen, gemeinsam gegen die geplante Überbauungsordnung Weyermannshaus West und all die restriktiven Verkehrsmassnahmen aktiv zu werden, um damit eine lebendige, aktive und erfolgreiche Stadt Bern weiterhin zu ermöglichen.